Lob des Nasebohrens

15. Dezember 2019 | Von | Kategorie: Kaleidoskop

Über kaum eine andere menschliche Leidenschaft  ist in Literatur,  Philosophie, Psychologie und in den Medien derart konsequent der Mantel indignierten Schweigens gebreitet worden wie über das Nasebohren. In ihrer Ausgabe vom 14./15. Dezember 2019 hat die Süddeutsche Zeitung das Kleidungsstück dankenswerterweise gelüftet und dabei auch über den beliebten Verzehr der köstlichen Nasenfrüchte berichtet. Noch wunderbarer ist jedoch die von uns näher untersuchte Qualität der Aktion als solcher.

  • Das Nasebohren stärkt das Selbstvertrauen.  Wer in der Nase forscht, ist wohltuend produktiv beschäftigt und kann nicht gleichzeitig Unheil anrichten. Außerdem macht nasales Fuhrwerken nicht dick – ein die Selbstachtung fördernder Vorzug in unserer die Schlanken & Schönen anbetenden Zeit.
  • Das Nasebohren ist von hoher spiritueller Qualität und fördert die Erleuchtung. Es handelt sich buchstäblich um eine Bewegung ins unverfälschte Selbst. Bei achtsamer Ausübung liegt darin eine vortreffliche Form der Meditation, die ebenso frei von jedem Denkvorgang praktiziert werden kann wie die anschließende, beseligende Betrachtung des zu Tage Geförderten. All dies lässt das Nirwana nahe erscheinen.
  • Das Nasebohren ist umweltschonend. Die geförderten Produkte sind ökologisch unbedenklich  und vielfältig verwendbar, zur stabilisierenden Verschönerung von Möbelunterseiten ebenso wie zur natürlichen Pflanzendüngung. Und der gemeine Popel gehört zu den unerschöpflichen Ressourcen der Natur !
  • Schließlich ist das  Nasebohren  sozialverträglich,  jedenfalls solange es nur in der eigenen Nase stattfindet. Mit Ausnahme gewisser Ärzte und besorgter Mütter von  Kleinkindern ist bisher niemand auf die Idee gekommen, Bohrungen in den Nasen anderer durchzuführen. Wer aber ausschließlich im eigenen Rüssel rödelt, nimmt dabei keinem anderen etwas weg – heutzutage ein seltener Lichtblick.

Nach allem  sollte das Nasebohren nun die breite gesellschaftliche Anerkennung erfahren, die es verdient, und  als pädagogisch wertvoll in keinem Lehrplan  mehr fehlen.  Damit würde es auch endlich Eingang in  die Geisteswissenschaften finden und dabei ungeahnte Gipfel  erklimmen können. Nicht auszudenken, was es schon für uns bedeuten würde, wenn Dostojewskij es gewagt hätte, auch seine „Aufzeichnungen aus dem Nasenloch“ zu veröffentlichen.   

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