Tod gegen Mitternacht

22. Januar 2008 | Von | Kategorie: Kaleidoskop

Die Erweiterung der Freiwilligen Selbstkontrolle der deutschen Filmwirtschaft (FSK) auf Kunstwerke jeder Art zugunsten von Personen aller Altersgruppen hat bekanntlich zu erheblichen Kontroversen geführt. In einer unerwarteten Kehrtwendung hat der Verband Deutscher Lyriker (VDL) seinen Mitgliedern kürzlich die Wahrung eines differenzierten mentalen Leserschutzes empfohlen, der nicht erst im Rahmen der Veröffentlichung, sondern bereits bei der Entstehung des Werkes eingreift.
Das Verbandsmitglied Ole Petersen aus Kleinmeinsdorf (Ostholstein) hat diese Empfehlung bei seinem neuen Zyklus „Mord und Totschlag“ beherzigt und dem Gedicht „Tod gegen Mitternacht“ siebzehntausend alternative Fassungen verliehen, die sorgfältig auf das Alter und / oder persönliche Eigenheiten der Leser abgestimmt wurden. Wir sind in der glücklichen Lage, hier nur drei Beispiele wiedergeben zu können.

Die Fassung für Männer fortgeschrittenen Alters mit gefärbten Haaren, mehrfach gescheiterten Ehen und bedenklichen Essgewohnheiten lautet:

„Am Freitag gegen Mitternacht
hab´ ich die Babsi umgebracht.
Nun fühl´ ich mich ganz wunderbar,

denn in zwei Stunden ist sie gar.“

Bereits die Version für Großmütter über sechzehn Jahren mit mittlerem Ekelschutzfaktor und dem Toleranzquotienten vierzehn ist durch eine zusätzliche Strophe wesentlich entschärft:

„Die Babsi, nur ein Silberfisch,
starb unten vor dem Küchentisch.
Der Silberfisch ist delikat,
auf diese und auf jene Art.“

Für Personen jeden Alters mit übersteigertem Harmoniebedürfnis und weit gestreuter, natürlicher Abscheu wurde die Fassung für Männer fortgeschrittenen Alters mit gefärbten Haaren, mehrfach gescheiterten Ehen und bedenklichen Essgewohnheiten dagegen lediglich um einen zweizeiligen, aber umso versöhnlicheren Schluss erweitert. Zum Zwecke der Vereinfachung für den lyrisch weniger Geübten sei hier die gesamte Variante präsentiert:

„Am Freitag gegen Mitternacht
hab´ ich die Babsi umgebracht.
Nun fühl´ ich mich ganz wunderbar,
denn in zwei Stunden ist sie gar
nicht mehr tot – sie starb, welch Segen,
nur temporär, des Reimes wegen.“

Petersen, der vielfach auch der „Klare Epigone aus dem Norden“ genannt wird, ist hier zweifellos ein Werk gelungen, dessen innovativer Ansatz Schule machen wird.

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