Tod der Zärtlichkeit?

16. Februar 2008 | Von | Kategorie: Mikroskop

Im Rauschen des Blätterwaldes  gingen zwei Pressemeldungen der letzten Wochen fast unter: Zunächst meldete die Süddeutsche Zeitung online, nach einer aktuellen Hamburger Studie hätten die Deutschen immer seltener Sex – die 18 bis 30-Jährigen im Monat nur noch 4 bis 10 mal, die 31 bis 40-Jährigen 3 bis 6 mal, und bei den über 40-Jährigen laufe „fast gar nichts mehr“. Der Job, der Computer und das Handy, so die Studie,  würden so viel „Triebenergie absorbieren, dass kaum mehr Kraft für Sex“ übrig bleibe. Einige Tage später berichtete die Print-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung, das Doppelbett sei auch bei jungen Ehepaaren auf dem Rückzug; auch sie schliefen zunehmend lieber in getrennten Betten und Zimmern. Diese Nachrichten hätten wahrlich fette Schlagzeilen auf den Titelseiten der Gazetten verdient, da sie  Ausdruck einer  katastrophalen Entwicklung sind. 

„Sex“ Liebender ist die  schönste Form ganzheitlicher Innerlichkeit zwischen Menschen, wobei  der „Trieb“   nahezu automatische Folge  der   Nähe  und Berührung  ist.  Auch andere  Zärtlichkeiten,  zum Beispiel das berühmte „Löffelches Liegen“, gehören zu den wunderbaren Formen menschlichen Miteinanders. Was  könnte es rechtfertigen, weitgehend auf diese Herrlichkeiten zu verzichten? Sicher nicht der Computer, oder gar das Handy; dies bedarf nicht einmal einer Begründung. Aber auch nicht der Gelderwerb. Jeder Berufstätige erlebt, dass Stress im Job sich bisweilen negativ auf die Libido auswirken kann, aber Stress ist weder immer vermeidbar, noch per se schlecht, da er Leistungsreserven aktiviert und so Leistungsfähigkeit dokumentiert.  Wenn allerdings  der  Job das Leben häufig oder gar über längere Zeit hinweg derart beeinträchtigt, ist das ein untrügliches Zeichen dafür, dass Wichtiges schief läuft, wir von unserer emotionalen Mitte allzu weit entfernt sind – und deshalb auch die Beziehung zu unserem Partner/unserer Partnerin nicht stimmig sein kann. Alle Alarmglocken in uns müssten dann ertönen!

Arbeit hat dem Leben zu dienen und darf es nicht zerstören. Räumen wir dem Job psychologisch allzu viel Bedeutung und Macht über unsere Emotionen ein, werden wie unvermeidlich Gefangene unserer Wünsche und ihrer Kehrseite, der Ängste. So vergeuden wir Lebenszeit – und unser Dasein ist nun einmal außerordentlich kurz bemessen. Die Alten wissen aus Erfahrung darüber zu berichten, wie schnell es vergeht. Das  andauernde Hinausschieben des wahren Lebens in die Zukunft ist ein fataler Fehler. Carpe diem!

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