Wer eine Uhr sucht, die man beim Schwimmen tragen kann, muss durchaus nicht zu Edelmarken wie Rolex greifen. Ohnehin legt für den Einsatz im Wasser wohl niemand eine Submariner an, die neu und gebraucht viele tausend Euros kostet. Derartige Kultobjekte dienen vielmehr primär als Statussymbol auf dem Trockenen und als Kapitalanlage. Insoweit sollte man bei Edeluhren allerdings vorsichtig sein: Der in der Schweiz weitgehend verschlafene Siegeszug der Quarz-Uhr hat dazu geführt, dass traditionsreiche Unternehmen wie Omega, Longines und Blancpain inzwischen der Swatch-Gruppe gehören – mit der Folge, dass die Wertentwicklung der Uhren dieser Hersteller jedenfalls bisher überschaubar geblieben ist.
Uhren, die man beim Schwimmen einsetzen will, sollten ein Metallarmband aufweisen und mindestens „10 Bar Water Resistant“ sein. Die häufigen Angaben „30 Meter“ oder „50 Meter“ sind irreführend; erst ab „100 Meter“ (10 Bar) kann man eine Uhr gefahrlos beim Schwimmen einsetzen, ab 20 Bar („200 Meter“) sogar beim Tauchen.
Armbanduhren werden bekanntlich mit Quarz-Antrieb oder als Automatik angeboten. Die ersteren brauchen eine regelmäßig zu erneuernde Batterie oder, im Fall der Solaruhr, einen Akku, der ebenfalls, wenn auch wesentlich seltener, gewechselt werden muss. Außerdem bewegt sich der Sekundenzeiger bei der Quarzuhr – häufig zitternd dazu – nur in Sekundenschritten vorwärts. Automatische Werke haben dagegen einen harmonisch gleitenden Sekundenzeiger mit 6 oder acht Schritten pro Sekunde. Allerdings sind sie nicht selten Primadonnen, die je nach dem Stand der Federspannung, ihrer Lage und Laune unterschiedlich schnell arbeiten. Auch benötigen sie viel mehr Zuwendung und Wartung als die nahezu genau gehenden und zumeist unverwüstlichen Quarz-Uhren.
Automatische Werke werden seit geraumer Zeit günstig in Asien gefertigt, insbesondere von der zur Citizen-Gruppe gehörenden Firma Miyota und von Seiko. Während bei teuren Schweizer Werken eine Gangabweichung von 5 Sekunden täglich als akzeptabel gilt, sind es bei den asiatischen Exemplaren 20-40 Sekunden. Wer es für eine Uhr mit asiatischem Werk genauer haben will, kann sie von einem Uhrmacher feinregulieren lassen, wenn dieser dazu bereit ist; wir haben bei einem Versuch eine glatte Absage erhalten.
Uhrmacher neigen erfahrungsgemäß dazu, die genannten asiatischen Werke als minderwertig und allzu vergänglich abzutun; diese Auffassung ist jedoch nicht unbestritten und steht in gewissem Widerspruch zu dem vieljährigen Einsatz dieser Werke. Auch lassen die Kritiker gern unberücksichtigt, dass Automatik-Uhren nach einigen Jahren jeweils eine Revision benötigen, die bei Edelherstellern Unsummen kostet (bei einer Rolex Submariner mittlerweile regelmäßig mehr als 750 Euro). Ein neues asiatisches Werk (etwa Miyota 8125 oder Seiko NH35A) ist dagegen im Internet bereits für 40 – 60 Euro zu haben und kann vom Fachmann relativ schnell eingebaut werden.
Man kann eine Regulierung – auch ohne die von Experten genutzte Zeitwaage – übrigens selbst vornehmen, indem man den oberen kleinen Hebel (Abb.: Seiko NH35A)n über der Unruhe verstellt.
Hierzu benötigt man allerdings geeignetes Werkzeug (Uhrenöffner, Stift), eine ruhige Hand – Beschädigung der Unruhe droht – und allerlei Anläufe, da bereits geringfügiges Verstellen große Wirkung zeitigt. Hat die Uhr unten einen schraubbaren Deckel, ist es sinnvoll, diesen einstweilen nicht allzu sehr festzudrehen, um eine allzu häufige Strapazierung der Dichtung zu vermeiden. Oder man muss die angezeigte Zeit eben immer wieder neu einstellen. Diese Korrektur ist einfach, wenn die Uhr wie zumeist vorgeht und über einen Sekundenstopp verfügt, d.h. durch zweifaches Herausziehen der Krone angehalten und ohne Korrektur des Minutenzeigers wieder in Gang gesetzt werden kann.
Normale Armbanduhren werden von Jüngeren nur noch wenig getragen; fast jede(r) hat ja normalerweise ein Smartphone bei sich, das die Uhrzeit anzeigt. Aber es gibt sie noch, die Uhrenfreaks, die auch keine Smartwatch wollen, und sie sind nicht selten Nostalgiker, weshalb automatische Uhren trotz aller Eigenheiten noch immer beliebt sind. Daher haben wir ausschließlich einige preiswerte und wasserfeste automatische Uhren in unseren Test aufgenommen.
Zu den geprüften Objekten gehört zunächst die qualitativ ansprechende und mit einem Preis von 80-100 Euro wahrlich günstige amerikanische Invicta pro Diver 8926OB mit dem Werk Seiko NH35A einschließlich Handaufzug und Sekundenstopp:
Diese Uhr führt zwar unter anderem die Bezeichnung „Invicta“ auf dem Zifferblatt und seitlich sowie rückseitig auf dem Gehäuse, und sie hat einen oben abweichenden Sekundenzeiger, lehnt sich im Übrigen (Gehäusebreite, Stunden- und Minutenzeiger, Lünette, Zifferblatt, Datumslupe) aber optisch eng an die Rolex Submariner Date an; das gefällt nicht jedem. Es gibt sie als Modell 8926 auch mit einer etwas größeren, am Rand gewellten Lünette, die von einer Omega Seamaster abgekupfert ist:
Beide Modelle haben ein Mineralglas und sind 40mm breit, allerdings mit einer Höhe von 15 mm recht bollerig. Bei der 8926OB waren die Stundenanzeigen bei Lieferung durch Amazon gelb; bei beiden Exemplaren leuchten in der Dunkelheit allenfalls Zeiger ein wenig. Sie sind jedoch mit ihren verschraubbaren Kronen und 20 Bar („200m“) zum Tauchen geeignet. Diese Uhren überstanden den Einsatz beim Schwimmen problemlos.
Eine weitere preiswerte Automatik ist die Dugena 4460588:
Sie ist 40mm breit, 13mm hoch, hat ein Mineralglas, ein dunkelblaues Zifferblatt und eine dunkelblau/rote Lünette aus (leider kratzempfindlichem) Aluminium und kann ebenfalls mit der Hand aufgezogen werden. Als Modell 44060512 ist sie auch mit schwarzem Zifferblatt und schwarzer Lünette erhältlich. Diese Exemplare entfernen sich, bei der schwarzen Ausführung immerhin durch die Zeiger, optisch deutlicher von Rolex; sie kosten normalerweise je 229 Euro, können aber im Internet gelegentlich günstiger erworben werden; wir haben für unser blau/rotes Exemplar 160 Euro bezahlt. Diese Uhren sind mit 10 Bar („100m“) zum Schwimmen, aber nicht zum Tauchen geeignet. Das Modell 4460588 überstand mehrere Einsätze beim Schwimmen auch problemlos. Es geht voll aufgezogen ca. 15 Sekunden pro Tag vor. Die Gangreserve ist zufriedenstellend. Das eingebaute Myota-Werk 8125 verfügt allerdings über keinen Sekundenstopp. Nur wenn die Uhr schwach aufgezogen ist, gilt: Zieht man die Krone zweifach heraus, bleibt die Uhr (hoffentlich) irgendwann stehen. Oder man drückt den Minutenzeiger ein wenig in Richtung Zurückstellung und hält so den Sekundenzeiger an. Andernfalls muss man den Minutenzeiger gelegentlich um eine Minute vorstellen – mit dem Ergebnis, dass die Zeit nie genau angezeigt wird.
Einen anderen, das Vorbild Rolex (auch in Sachen Armband) gänzlich verlassenden Weg geht die solide chinesische „Addiesdive Pilot Watch“, die bei Amazon ca. 100 Euro kostet:
Sie ist IWC-„Fliegeruhren“ IWC (Mark XVI und Spitfire) ähnlich und verfügt – wie die Invictas – über das Werk Seiko NH35A, weshalb sie ebenfalls mit der Hand aufgezogen werden kann und einen Sekundenstopp bietet. Das Gehäuse ist ca. 39 mm breit und angenehme 12 mm hoch. Nur für die Anpassung an extrem schmale Handgelenke fehlt es an einer genügenden Zahl herausnehmbarer Glieder des attraktiven und soliden, gut zur Uhr passenden Armbands. Hierzu erwies sich der von Addies mitgelieferte Stift allerdings als unzureichend; geeignetes Werkzeug ist jedoch (z.B. bei ebay) für einige Euros erhältlich. Die von uns erworbene Uhr ging beim Erwerb pro Tag voll aufgezogen ca. 30 Sekunden vor, weshalb wir sie selbst feinreguliert haben; durch vielfache Versuche (ohne Zeitwaage, siehe oben) ist es gelungen, die Abweichung auf wenige Sekunden täglich zu reduzieren. Auch hier ist die Gangreserve in Ordnung. Diese Uhr hat ebenfalls eine verschraubbare Krone und ist mit 20 Bar („200m“) zum Tauchen geeignet. Den Einsatz beim Schwimmen hat sie einwandfrei überstanden.
Anders als die Invicta und die Dugena hat die Addiesdive im Dunklen leuchtende Zeiger und Ziffern, die allerdings auch tagsüber grünlicher sind als der Sekundenzeiger und das Feld der Datumsangabe, die weiss erstrahlen; außerdem ist der Minutenzeiger bei dem von uns erworbenen Exemplar (Amazon) bei Tageslicht etwas dunkler als der Stundenzeiger. Eine Rückfrage beim chinesischen Hersteller ergab, dass die Zeiger für Stunden und Minuten von gleicher grünlicher Helligkeit sein sollten; offenbar hat uns Amazon also – wie bei der Invicta 8926OB – ein altes Schätzchen geliefert, gefördert durch einen „Coupon“ von 10 Euro, wonach die Uhr nur rund 98 Euro kostete. Der Hersteller erklärte sich schließlich außerstande, gleichfarbige Minuten- und Stundenzeiger Zeiger zu liefern.
Ergebnis: Die Invicta pro Diver 8926OB ist gemessen am Preis technisch überzeugend, aber recht hoch, außerdem der Rolex Submariner Date nach unserem Geschmack zu ähnlich. Wir ziehen daher das – allerdings ebenso hohe – Modell 8926 vor.
Die Dugena 4460588 ist nicht zuletzt für Zeitgenossen geeignet, die gern in blauer Kleidung (Jeans, Sweatshirt etc.) umherwandeln, jedenfalls dann aber durchaus attraktiv. Für andere Einsätze kann man zum Modell 44060512 greifen. Der fehlende Sekundenstopp ist allerdings wie beschrieben ein gewisser Mangel.
Unser Favorit wäre die technisch einwandfreie Addiesdive Pilot Watch, wenn das uns gelieferte Exemplar nicht Anzeigen verschiedener Farben hätte.
Die Wahl zwischen den Testobjekten ist vor allem Geschmackssache. Bei allen stört, dass sie kräftig vorgehend geliefert werden, also vom Hersteller vor der Auslieferung besser feinreguliert werden könnten und sollten. Aber wer eine zum Schwimmen oder gar zum Tauchen geeignete Automatik für wenig Geld erwerben will, muss eben zu Kompromissen bereit sein, oder sich gewisse Fähigkeiten zulegen. Spaß machen alle getesteten Uhren – übrigens auch als morgens zu hegender Uhrenzoo. Im Unterschied zum Corona-Hund muss man mit den Zooinsassen nicht Gassi gehen und sie nicht schließlich resignierend in einem überlasteten Tierheim abliefern, wenn man begriffen hat, dass ein Hund nicht jede Isolation kompensieren kann.
Nachtrag vom 19.08.2021, nach monatelanger Beobachtung:
Die von uns feinregulierte Addiesdrive Pilot Watch mit dem Werk Seiko NH35A, die danach zwei Wochen lang brav nur ca. 2 bis 3 Sekunden am Tag vorging, hat es sich inzwischen anders überlegt; sie geht nun täglich ca. 10 Sekunden nach. Ähnliches gilt für die beiden Invictas mit dem gleichen Werk: Sie wechseln ihr Gangverhalten nach Belieben, bisher in einem Rahmen von ca. 15 Sekunden pro Tag. Solche Schwankungen gibt es bei den teuren automatischen Werken aus der Schweiz nach unseren Erfahrungen nicht.
Nachtrag vom 17.11.2021:
Die Addiesdive geht wieder richtig, wenn man sie trägt. Versuche, die Invictas ebenfalls feinzureguieren, endeten mit deren Tod. Man sollte derlei Operationen am offenen Herzen doch Uhrmachern überlassen. Spaß bereitet unverändert die Dugena; sie geht nach wie vor täglich ca. 15 Sekunden vor, kann aber unschwer morgens auf die beschriebene Weise angehalten werden, zumal die Gangreserve offenbar geringer ist als anfänglich angenommen.