Non olet

5. Juli 2020 | Von | Kategorie: Teleskop

Millionen Deutsche wollen eine bessere Vergütung – nicht nur Geringverdiener, sondern auch aktive und ehemalige Politiker. Welch Segen, dass die beständig um die Arbeitsplätze besorgte Wirtschaft da entschlossen in die Bresche springt! Sie bietet prekär Beschäftigten zusätzlichen Zeitvertreib und bewährten Politikern, die hilfreich waren oder sein können, immer wieder einträgliche Posten, ob sie Christ- oder Sozialdemokraten sind oder einer anderen Partei mit Regierungsverantwortung angehören. Ausgenommen sind nur die chronisch  linken Nörgler, die sogar in Krisenzeiten einer Umverteilung das Wort reden, auch die Süddeutsche Zeitung hat es beanstandet.   

Hier zeigt sich die „Neue Soziale Marktwirtschaft“ von ihrer besten Seite, jedenfalls aus der Sicht des homo oeconomicus, dieser strahlenden, alles beherrschenden Urgewalt, die stets das Gute will, jedenfalls für die eigenen Unternehmungen („Lidl lohnt sich!“), und der die fortschreitende Privatisierung der Politik höchstes Anliegen ist. Denn in der Wirtschaft wirken nun einmal  die eigentlichen Führungskräfte des Landes. Sie tragen schwer an den Leistungen anderer und an den Konsequenzen der eigenen, weshalb man sie auch Leistungsträger nennt und  vermittels Dividenden und Vorstandsbezügen angemessen entlohnt. In darüber hinausgehenden sozialen Taten sehen sie regelmäßig keinen Sinn.

Geht dieses selige Wirken (wie stets zuerst) zu Lasten der Arbeitsplätze aus, ist das allein noch kein Problem, denn dann steigen zumeist die Aktienkurse –  was unabhängig vom Wert des jeweiligen Unternehmens bekanntlich bereits dann geschieht, wenn eine genügende Anzahl der Marktteilnehmer es erwartet. Umso bedauerlicher ist es laut  Friedrich Merz,  dass relativ wenige Deutsche Aktien halten. Er befindet sich  damit auf einer Linie mit Marie Antoinette, die bekanntlich denen, die ohne Brot waren, fürsorglich riet,  Kuchen zu essen.

Der Erwerb von Aktien ist umso ratsamer, als er  eine verführerische Möglichkeit bietet, risikolos von der Umweltzerstörung oder dem Betrug anderer zu profitieren. So hält der um die Gesundheit der Menschen so besorgte Bill Gates, der seinen Erfolg allerlei Methoden verdankt,  dem Vernehmen nach wesentliche Beteiligungen im Bereich der  Erdölindustrie. Und Verhaltensweisen, die angeblich mit einem für das Unternehmen schädlichen „Vertrauensverlust“ einhergehen,  werden entgegen  überholter Träumereien von den Märkten durchaus nicht mehr bestraft. VW etwa erwirtschaftete im Anschluss an das Bekanntwerden der Betrügereien in Sachen Abgase zur Freude der Aktionäre hervorragende Umsätze und Gewinne.

Ethische Vorstellungen gehören in der Wirtschaft heute bestenfalls noch zum Instrumentarium der viel gelesenen Beruhigungs- und Ablenkungspostillen, die gern irreale Hoffnungen auf längst Vergangenes verbreiten, etwa den so genannten Gemeinsinn, der nach der Corona-Krise wieder mehr sein Haupt erheben soll. Bereits Aristoteles erkannte, dass derlei Übung verlangt. Die aber fehlt heutzutage, da das Geschenk des Kapitalismus  die Menschen nicht zu Brüdern, sondern zu Konkurrenten erhoben hat.

Hegel und Heine verdanken wir den unwiderlegbaren Hinweis, dass der menschliche Penis nicht nur der wunderbaren Zeugung, sondern auch dem Pinkeln dient, ein denkwürdiger Kontrast. Der Mensch, insbesondere in der männlichen Ausprägung, ist und bleibt eben ein bizarres Geschöpf.

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