Weitsichtige wie Kurt Biedenkopf forderten bereits vor Jahrzehnten eine Beteiligung der deutschen Arbeitnehmer an den sie beschäftigenden Unternehmen, um die Gegensätze zwischen den Arbeitgebern und den gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern zu reduzieren. Hieran waren die Gewerkschaften freilich nicht interessiert, und zwar nicht nur aus Gründen des Machterhalts: Sie lehnten den so genannten Investivlohn auch ab, weil sie befürchteten, die Arbeitgeber würden ihre Beschäftigten nötigen, einen Teil ihres Lohnes in das Unternehmen zu investieren. Außerdem verlieren die Arbeitnehmer im Fall der Insolvenz ihres Unternehmens bekanntlich nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern auch den Wert ihrer Anteile. Seither wurde die Beteiligung der Arbeitnehmer am wirtschaftlichen Produktivvermögen in viele Parteiprogramme und Koalitionsverträge aufgenommen, aber – abgesehen von geringfügigen, insbesondere steuerlichen Begünstigungen – nie zum Gesetz. Sie wurde in nennenswertem Umfang lediglich von einzelnen Unternehmen auf freiwilliger Basis realisiert. Beispiele dafür sind die ALLIANZ, die BASF und SIEMENS.
Andere Staaten wie England gingen mit einer erheblichen Förderung der Unternehmensbeteiligungen von Arbeitnehmern voran, während in Deutschland Jahr um Jahr ohne Ergebnis darüber debattiert wurde, ob die Arbeitnehmer nur an ihren Arbeitgebern oder an Fonds beteiligt werden sollten, die ihrerseits in eine Vielzahl von Unternehmen investieren würden.
Seit einiger Zeit sind die Lohneinkünfte der abhängig Beschäftigten im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung jedoch – anders als in früheren Jahrzehnten trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs – real gesunken, während die Unternehmenseinkünfte immer schneller zugenommen haben. Als Folge dessen verspürt das deutsche Wahlvolk eine beachtliche Gerechtigkeitslücke, die Linke wettert mit Erfolg, und das Jahr der Bundestagswahl 2009 naht. Daher hat die amtierende Große Koalition das Thema der Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen wieder entdeckt. Auch bei den deutschen Gewerkschaften macht sich angesichts des geänderten Umfeldes seit einiger Zeit ein Umdenken bemerkbar.
Allerdings geht es der Großen Koalition mit diesem Thema wie mit anderen, zumal die beteiligten Parteien wieder einmal unterschiedliche Vorstellungen hatten. So wollte die CDU/CSU die Beteiligung der Arbeitnehmer nur an ihrem Arbeitgeber, um eine erhöhte Identifizierung der Beschäftigten mit ihrem Unternehmen und entsprechende Lesitungssteigerungen herbeizuführen, die SPD favorisierte dagegen eine Fondslösung mit breiter gestreuten Beteiligungen. So kam es, wie es bei dieser Koalition offenbar kommen musste: Der Koalitionsberg kreißte, mutierte aber bereits vor der Geburt zu einem kleinen Erdhaufen, und geboren wurde schließlich ein Reförmchen in der Größe eines Maulwurfs, der es allen und niemandem recht macht.
Statt einer massiven Förderung des Ausbaus der Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen, wie sie beispielsweise in Österreich, Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden seit geraumer Zeit existiert, wird zum einen die bestehende Förderung der privaten Vermögensbildung lediglich geringfügig erweitert. So erhält ein Arbeitnehmer, der mit einem Teil seines Einkommens eine Beteiligung erwirbt, ab 2009 zwar eine 20%ige staatliche Zulage, maximal aber nur 80 Euro statt der bisherigen 72 Euro. Leistet der Arbeitgeber Zuschüsse zum Erwerb solcher Beteiligungen, bleiben diese zukünftig bis zu einem Betrag von 360 Euro jährlich steuerfrei, während dies bislang nur in Höhe von 135 Euro der Fall ist. Gleichzeitig werden die Einkommensgrenzen, bis zu denen die Vergünstigungen in Anspruch genommen werden können, von 17.900 Euro für Ledige und 35.800 Euro für Verheiratete auf 20.000/ 40.000 Euro leicht angehoben. Zum anderen werden auf ähnlich bescheidenem Niveau zukünftig Branchenfonds gefördert, die sich an einer Vielzahl von Unternehmen beteiligen. Die jährlichen Gesamtkosten dieser Miniaturreform für die öffentlichen Haushalte unterschreiten mit ca. 500 Millionen Euro sogar die 950 Millionen, welche das ursprüngliche Unionsmodell noch vorsah.
Derlei Kleinvieh macht all zu wenig Mist, schließt keine Gerechtigkeitslücke und beeindruckt niemanden. Oskar Lafontaine dürfte sich wieder einmal die Hände reiben.