Trotz, nicht wegen

11. März 2022 | Von | Kategorie: Mikroskop

Die Bevölkerungen rohstoffreicher Staaten sind häufig bettelarm. Beispiele sind die Verhältnisse in der Demokratischen Republik Kongo, in Äquitorialguinea und  Venezuela. Entwicklungsökonomen haben bereits in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts die eher schräge These aufgestellt, die Bevölkerungen rohstoffreicher Länder seien nicht trotz, sondern wegen der Bodenschätze arm. Die nationalen Eliten bereicherten sich – oft  in korrupter Kooperation mit westlichen Konzernen – gewaltig,  und ihr Reichtum verlasse das Land, dessen Wirtschaft unentwickelt bleibe. Tatsächlich beruht besagte Armut nicht auf den Bodenschätzen, sondern ausschließlich auf dem verantwortungslosen Verhalten der  jeweiligen so genannten „Eliten“.

Beigetragen zu solchen Fehlentwicklungen haben  nicht selten die USA, die vielfach beschworene Garantin für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Seit dem zweiten Weltkrieg haben sie  – gern unter der Flagge des Antikommunismus –  an dem gewaltsamen Sturz zahlreicher Regierungen mitgewirkt, welche  die Versorgung der USA  mit Bodenschätzen oder das westliche Wirtschaftsmodell des Reichtums Weniger und der Armut Vieler in Frage stellten, angefangen mit dem Sturz der Regierung Mossadegh nach der Verstaatlichung der iranischen Erdölindustrie im Jahr 1951.

In Russland, das seit langem aus dem Export von Gas, Öl und Kohle enorme Summen erwirtschaftet, war die Entwicklung ähnlich. Beteiligt an den Erträgen wurden seit Boris Jelzin vor allem russische Oligarchen, die ungeheuren Reichtum erwarben und diesen sowie sich selbst prompt ins westliche Ausland verschoben. Offenbar hat Putin zwecks Stabilisierung seiner Machtposition auch politisch und militärisch Getreue „gekauft“,  die im Land verblieben. Die Kasse füllte sich jedoch regelmäßig wieder, zumal insbesondere die Europäer  auf entsprechende Lieferungen – und Russland mangels einer breit aufgestellten, florierenden Wirtschaft auf diese gewaltige Geldquelle – angewiesen waren. Die breite Bevölkerung, deren Lebensstandard seit Menschengedenken erbärmlich ist, ging auch in Russland leer aus. Und daran wird sich unter Wladimir Putin auch weiterhin nichts ändern.

Den russischen Diktator plagt seit  jeher das Trauma des Zerfalls der Sowjetunion,  und er sieht sein stalinistisches System  mörderischer Unterdrückung jeglicher Opposition durch den Weg der an Russland angrenzenden Staaten in Freiheit und Demokratie gefährdet –  umso mehr, als die übrige Welt im Zuge des Versuchs, die Klimakatastrophe abzuwenden, Russland immer weniger fossile Energieträger abnehmen wird. Bald fällige große Zahlungen kann Russland offenbar schon jetzt nicht mehr leisten. Der Wert russischer Staatsanleihen ist tief in den Keller gefallen; sie gelten – anders als in früheren Zeiten – bei den großen Investoren als nachhaltig vergiftet. Trotzdem verpulvert Putin Unsummen – chronisch für Rüstung und gerade für seinem bösen Krieg gegen die Ukraine – zum Schaden auch Russlands, für den er zweifellos vermittels weiterer Lügen den  Westen und dessen Sanktionen verantwortlich machen wird.  So gewalttätig und irrational agieren geheimdienstlich „sozialisierte“ Diktatoren, wenn sie unter Realitätsverlust leiden und um ihre Macht und ihren Reichtum fürchten.  

Nein, Rohstoffe eines Staates sind kein Fluch, sondern ein Segen, man muss nur verantwortlich damit umgehen, Norwegen hat eindrucksvoll demonstriert, wie das geht.  

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