der großen Tageszeitungen, die sich an einigermaßen gebildete Leser wenden, ist der gewohnt mächtige Umfang der jeweils nächsten Ausgabe, auch wenn es bei Licht besehen wenig zu berichten und zu kommentieren gibt.
Die Süddeutsche Zeitung (SZ) füllt – ohne den Hinweis „Anzeige“ – regelmäßig allerlei Seiten mit Werbung für die von ihr vertriebenen Produkte wie Wein, Bücher, Reproduktionen von Kunstgegenständen und Reisen. Hierfür mag der geneigte Leser noch Verständnis aufbringen, gilt es doch, den Entfall von fremdem Werbeanzeigen zu kompensieren und gewinnbringend tätig zu werden. Außerdem kann man darüber ja schnell hinwegblättern.
Was den redaktionellen Teil der SZ angeht, wird mittlerweile andauernd seitenlang ein „Gespräch mit…“ oder ein „Interview“ ohne nennenswerten Gehalt präsentiert, zumal die sich gelegentlich anbietenden, spannenden Nachfragen sorgsam vermieden werden. Ähnlich ermüdend sind häufig Beiträge in Rubriken wie „Panorama“, „Gesellschaft“ oder „Stil“ und ausführliche Berichte über die neuesten unwesentlichen Erkenntnisse von Psychologen, etwa über die Folgen der pandemischen Maskierung für das Wohlbefinden der Träger und ihrer Gegenüber (SZ vom 25. Januar 2022).
Den Lesern wird so abverlangt, sich mühsam durch eine Unzahl von Artikeln zu kämpfen und sie daraufhin abzuklopfen, ob sich irgendwo Interessantes findet, was ebenso wie bei der Eigenwerbung einem gesunden Verhältnis von Leistung und Gegenleistung widerspricht, schließlich ist die Lektüre ja nicht kostenlos.
Geradezu wundervoll wäre demgegenüber ein gelegentliches Titelblatt etwa folgenden Inhalts:
„Liebe Leser,
gestern ist wieder einmal kaum etwas von Bedeutung geschehen, über das zu berichten oder zu reflektieren wäre. Daher besteht die heutige Ausgabe nur aus wenigen Seiten, die schnell gelesen sind. Wir freuen uns, Ihnen Gelegenheit zu geben, in der so frei werdenden Zeit Sinnvolles zu tun.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihre Redaktion“
Einen Zeitgewinn verbuchen würden bei solch entsagungsvoller Zurückhaltung auch die für die jeweilige Gazette Schreibenden, wodurch einigen von ihnen Gelegenheit gegeben würde, ihre Deutschkenntnisse zu veredeln. „Trügen“ beispielsweise ist ein starkes Verb, dessen Praeteritum in der dritten Person Singular auch bei allem Wohlwollen nicht „trügte“ lautet (so aber die SZ vom 18. Januar 2022, siehe oben), sondern „trog“. Immer wieder fühlt sich die schreibende Zunft überdies auch dann mit dem Dativ wohl, wenn der Genitiv, oder wie in der SZ vom 24. Januar 2022 („Die Corona-Pandemie hat der deutschen Wirtschaft …… bisher rund 350 Milliarden Euro gekostet“), der Akkusativ angesagt wäre.
Das vorstehend Skizzierte wird ebenso wie eine bei der SZ wieder verbesserte Korrektur von Wort- und Satzkrüppeln vor Drucklegung vermutlich ein Wunschtraum bleiben. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.