Arme SPD

14. März 2008 | Von | Kategorie: Teleskop

In der SZ vom 11. März 2008 schrieb Klaus von Dohnanyi seiner SPD ins Parteibuch, es sei Zeit für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Linken. So weit, so wahr. Leider beließ Herr von Dohnanyi es nicht dabei. Stattdessen garnierte er seinen Rat mit einer Argumentation, die keine wirkliche Bereitschaft zu einer solchen Auseinandersetzung erkennen lässt.

Niemand könne, so Herr Dohnanyi, bestreiten, dass neue Konkurrenz aus einer aufstrebenden Welt die reichen Industriestaaten heute mit niedrigen Kosten und Löhnen unter wachsenden Wettbewerbsdruck setzte. Dies verursache den Lohndruck auf die deutschen Arbeitnehmer, die Angst vor Jobverlusten hätten. Hier wurzele auch die „Gerechtigkeitslücke“ und die politische Debatte über sie. Der globale Druck zwinge heute auch eine verantwortungsvolle Parteiführung der SPD, stärker auf die neue Lage der Unternehmen Rücksicht zu nehmen. Gerhard Schröders Satz, es gebe keine linke oder rechte Wirtschaftspolitik, sondern nur eine richtige, charakterisiere konsequent die Situation. Teile der SPD und Mehrheiten der Gewerkschaften hätten die Erkenntnis Schröders nie wirklich mitgetragen. Sie fühlten noch immer die Sehnsucht nach der alten Arbeiter-Partei, obwohl Arbeiter weniger als ein Fünftel der Beschäftigten ausmachten – Tendenz schrumpfend. Diese „nostalgische Sehnsucht“ speise seit 1990 die PDS im Osten und nun die Linke im Westen. Um den Standort zu sichern, werde „deutsche Politik künftig immer mehr Rücksicht auf die Wettbewerbslage der Unternehmen nehmen“ müssen. Gerechtigkeit sei wichtig – aber ohne Arbeitsplätze gebe es sie nicht.

Sollte Herrn von Dohnanyi nicht bemerkt haben, dass die SPD schon seit langem eine Partei der Arbeitnehmer, also der Arbeiter und Angestellten der unteren Lohngruppen ist und dort ihr größtes Wählerpotential hat? Ist es Herrn von Dohnanyi wirklich entgangen, dass die „Gerechtigkeitslücke“ im Kern darin besteht, dass Lohndruck auf die Arbeitnehmer ausgeübt wird, während die Manager der oberen Sphären und die Kapitaleigner immer ungehemmter bedient werden?

Der neueste Coup: Obwohl der Springer-Konzern im Jahr 2007 einen Verlust von 288 Millionen Euro erwirtschaftet hat, wurden die Bezüge des Vorstandes um sage und schreibe 40 % erhöht, und Springer schüttet eine Rekorddividende von 120 Millionen Euro aus…..

Soeben hat sogar die Bundesregierung Zahlen vorgelegt, nach denen der inzwischen jahrelange wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland entgegen den vielfachen Beteuerungen der Frau Merkel und ranghoher Vertreter der SPD (!) bei den beschäftigten Arbeitnehmern nicht angekommen ist. Im Gegenteil: Bei den preisbereinigten Arbeitseinkommen hat sich der Abstieg noch verstärkt. Die Kaufkraft der Arbeitnehmerhaushalte nahm in den Jahren 2005 und 2006 um jeweils 1,1 Prozent und 2007 sogar um 1,7 Prozent ab – und diese Zahlen basieren zweifellos noch auf den vom Statistischen Bundesamt erfassten Preissteigerungen, welche die – anhaltenden – gewaltigen Preiserhöhungen bei den täglich in Anspruch genommenen Gütern (Energie, Lebensmittel usw.) nicht einmal annähernd erfassen.

Jahrelang haben sich die Arbeitnehmer in unserer Republik der Aufforderung nicht verschlossen, angesichts des Wettbewerbsdrucks aus dem Ausland die Gürtel enger zu schnallen und flexibler zu agieren; ihre mehrjährige Zurückhaltung im Lohnbereich hat es ebenso bewiesen wie die beträchtliche Anpassung beispielsweise der NOKIA-Mitarbeiter an die Bedürfnisse ihres Unternehmens.

Nicht wenige in den oberen Etagen der deutschen Großunternehmen und der Kapitaleigner dagegen haben trotz oder wegen dieser Zurückhaltung eine Gier entwickelt, die überhaupt keine Gürtel mehr kennt – während zunehmend auch die Arbeitsplätze von Arbeitnehmern profitabler Unternehmen oder Unternehmensteile wie BMW oder NOKIA/Bochum ständig wachsenden Renditevorstellungen des Kapitals zum Opfer fallen, ohne dass überzeugende Anlässe dafür erkennbar wären, die in einem Wettbewerbsdruck wurzeln.

D i e s e Diskrepanzen sind der Grund für den gewaltigen Zulauf der Linken, und solange der rechte Flügel der SPD sie nicht einmal sehen will, wird die SPD sich weiter hilflos im Kreise drehen und die Linke noch größere Erfolge haben als bisher. Auf diese Weise wird die SPD zwischen der CDU/CSU (und der FDP) einerseits und der Linken andererseits weiter zerrieben und schließlich zur Bedeutungslosigkeit verkümmern.

Es ist tatsächlich höchste Zeit für eine inhaltliche Auseinandersetzung der SPD mit der Linken, aber das muss dann schon wesentlich anders aussehen, als Herr von Dohnanyi sich das vorstellt. Mit Leerformeln wie der von Gerhard Schröder über die „richtige“ Wirtschaftspolitik oder Thesen, die im Kern über neoliberale Halbwahrheiten nicht hinausgelangen, ist es nicht getan. Die Wirklichkeit ist wesentlich komplexer.

Die Linke will letztlich wieder den Weg einer allzusehr verstaatlichten Wirtschaft gehen; dies ist allenfalls insoweit vernünftig, als wesentliche infrastrukturelle Einrichtungen der Daseinsvorsorge wie die Leitungsnetze für die Energieversorgung oder die Bahnstrecken und Autobahnen in der Hand des Staates bleiben sollten. Dabei aber muss es sein Bewenden haben. Der Kapitalismus ist, wie George Bernhard Shaw bereits lange vor dem wirtschaftlichen Zusammmenbruch des Ostblocks bemerkte, nun einmal weit effektiver als die Staatswirtschaft.

Die wirkliche Aufgabe ist – ähnlich wie im 19. Jahrhundert in den früh industrialisierten Ländern – die Etablierung von Mindeststandards einer sozialen Marktwirtschaft in einer immer größer werdenden Zahl autonomer Staaten mit unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Sie kann nur auf internationalen Ebenen erreicht werden. Gleichzeitig bedarf es einer Rückbesinnung des modernen Menschen auf seine soziale Gebundenheit, verbunden mit der überfälligen Relativierung des Wertes materieller Güter. Dies ist eine Aufgabe der Erziehung und des Vorbildes, und da ist jeder von uns gefordert.

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