Alte Bekannte (3): Citizen Kane

8. März 2008 | Von | Kategorie: Mikroskop

Orson Welles´ Meisterwerk aus dem Jahr 1940/1941  hinterfragt den amerikanischen Traum. Er schildert den Aufstieg und Fall eines Mannes, der seine ganze Energie dem Auf- und Ausbau seines aus Zeitungen und Radiostationen bestehenden Medienimperiums widmet und dabei seine anfänglichen Ideale verrät. Er will geliebt werden, kann aber selbst nicht lieben und benutzt die, die ihn umgeben. Am Ende seines Lebens ist Charles Foster Kane allein und verbittert. Geld und Macht allein haben ihn nicht glücklich gemacht. So trauert er auf dem Sterbebett seiner Kindheit nach. Der Film verzichtet auf eine Figur, mit der sich der Betrachter identifizieren kann und ist deshalb – für amerikanische Verhältnisse noch heute atypisch – mehr für den Verstand als für`s Gemüt.

Den Citizen Kane spielte Welles – bis auf die Darstellung Kanes als Bub – selbst, eine wichtige Nebenrolle übernahm sein Freund Joseph Cotten. Das Drehbuch schrieben Herman J. Mankiewicz und Welles, die Regie führte Welles, und als Kameramann fungierte der geniale Gregg Toland. Welles hatte den unbedingten Willen, dem Film „neue Seiten abzugewinnen“, und das gelang ihm gründlich. Die Erzähltechnik, die Kamera, der Schnitt und der Ton, die sich zum Teil am Expressionismus und am russischen Film orientierten, aber auch die Spezialeffekte einschließlich der Maske, die dem  damals 25-Jährigen Orson Welles das Aussehen eines alten Mannes gab, waren in einem Film vorher so noch nie vereint.

„Vorbild“ für den Film war der amerikanische Verleger William Randolph Hearst, der  Welles und den Film unter Einsatz seiner zahlreichen Boulevardblätter und Radiosender nach Kräften bekämpfte, nachdem es ihm nicht gelungen war, alle Negative des Films zu kaufen. Er ließ  Welles als Kommunisten beschimpfen und unterband jegliche Werbung für den Film in seinen Blättern. Kinos, die den Film aufführen wollten, belegte er mit finanziellen Sanktionen. So blieb der Film dem breiten Publikum unzugänglich. Der am 01. Mai 1941 in New York uraufgeführte Film wurde finanziell ein Flop und Welles´ Karriere erhielt einen ersten empfindlichen Rückschlag.

Nicht verhindern konnte Hearst, dass Citizen Kane im Jahr 1942 neun (!) Oscar-Nominierungen erhielt, wobei allein auf Welles Nominierungen in vier verschiedenen Kategorien entfielen. In der Verleihungszeremonie, in der jede Erwähnung des Films auf Betreiben von Hearst mit Buhrufen quittiert wurde, erhielt der Film dann (nur) einen Oscar für das beste Drehbuch. Auch im Übrigen  setzte sich der – in Deutschland erstmals 1962 aufgeführte – Film durch. Das American Film Institute zum Beispiel wählte ihn 1998 und 2007 zum besten jemals entstandenen amerikanischen Film. Auch  in Europa, wo Citizen Kane Größen des Films wie Francois Truffaut nachhaltig beeindruckte („Alles, was im Kino seit 1940 Bedeutung hat, ist von Citizen Kane beeinflusst.“), gilt er als einer der besten jemals gedrehten Streifen.

Obwohl die technischen Effekte heute naturgemäß nicht mehr so in Erstaunen versetzen wie 1941, sollte man Citizen Kane auch im 21. Jahrhundert unbedingt (wieder)sehen. Vor allem Manager des Turbo-Kapitalismus, welche die – auch für sie lebenswichtige – emotionale Nähe zu ihren Mitmenschen zu verlieren drohen, sollten sich den Film nicht entgehen lassen. 

Die DVD mit Citizen Kane ist im Handel für etwa 10 Euro erhältlich. Die Kopien sind nicht ohne Mängel, da die Original-Negative in den 70er Jahren verbrannten, aber das tut dem Genuss keinen Abbruch.

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