Accessoires

21. Oktober 2020 | Von | Kategorie: Teleskop

In ihrer Ausgabe vom 20. Oktober  vermeldete die Süddeutsche Zeitung (SZ), der Kandidat für den CDU-Vorsitz Friedrich Merz und die ihm angetraute Charlotte, Direktorin des Amtsgerichts Arnsberg, hätten, begleitet von einer RTL-Reporterin, bei einem Spaziergang „fast identische dunkelblaue Funktionsjacken (sie das Frauen-, er das Männermodell) und beide Jeans“ getragen. Ein Foto, das Merz und seine zweifellos bessere Hälfte barhäuptig just in der genannten Kleidung zeigte, war hinzugefügt.

Allein dieser erhebende, tief ins Intime ausgreifende Bericht über die beidseitige Vorliebe für Funktions“ (?)- Textilien und lässige Beinkleider musste die Herzen der Fans von RTL, BILD und aller vergleichbar bedeutenden  Medien, die das „Panorama“ der SZ ebenfalls immer wieder zu erreichen sucht, höher schlagen lassen. Den Gipfel gespannter Erregung der entzückten  Leser erklomm freilich erst der unmittelbar folgende, den Report abschließende Satz: „Zu unterscheiden waren die Eheleute lediglich „an Frau Merz´ Accessoires: einem getüpfelten Halstuch sowie Nagellack und Lippenstift.“

Nun kann man sich Friederich März selbst unter Aufbietung aller Phantasie tatsächlich kaum mit getüpfeltem Halstuch, Nagellack und Lippenstift vorstellen. Dennoch zeugen die zitierten Ausführungen von einer bemerkenswerten Unterscheidungskraft des Autors, der sich, bei seinen Schlussfolgerungen von Differenzen in den Physiognomien der Beteiligten erkennbar in keiner Weise  abgelenkt, auf das Wesentliche in Gestalt von Accessoires konzentrierte, wozu heutzutage im Allgemeinen bekanntlich auch luxuriöse Handtaschen, Armbanduhren, Autos, Zweit- und Dritthäuser sowie steinreiche oder sonst glamouröse Partner(innen) gezählt werden.

Es ist außerordentlich beruhigend, die SZ dicht an den Quellen akkurater  Informationen über die soziologischen Gegebenheiten der Spätmoderne zu wissen.  

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