Wunderliches

17. Juni 2008 | Von | Kategorie: Mikroskop

Glaubt man dem Neuen Testament, vollbrachte Jesus Christus vielerlei Wunder. Dazu gehörten auch Formen des Exorzismus. So trieb Jesus dem Besessenen in der Synagoge von Kafernaum gründlich die Dämonen aus (Mk 1, 21-28), und ähnlich heilte er den Besessenen aus Gerasa (Mt 8, 28-34, Lk 8, 26-39). Dabei bedurfte es aufgrund der Jesus verliehenen Macht Gottes keinerlei Dämonensprache, Rituale, Magie oder Attacken auf den Besessenen: Jesus sprach den jeweiligen Dämon direkt an und befahl unwiderstehlich dessen sofortige Abreise, die bei den damaligen Treibstoff- und Bahnpreisen ja auch ohne weiteres zumutbar war.

Da wollten die ihm nachfolgenden Kirchenfürsten natürlich nicht zurückstehen. Allerdings fielen sie bei all dem Wunderbaren, das sie vollbrachten, mangels in ihnen wohnender göttlicher Potenz immer wieder bedauerlichen Irrtümern anheim.

Für sie konnten bereits abtrünnige Christen  wie die Prophetin Priscilla als „besessen“ gelten, da sie die Abwendung vom Christentum als vom Teufel verursacht ansahen. Auch beließ es die Inquisition beileibe nicht bei einer direkten Ansprache und einem bloßen Abreisebefehl gegenüber Dämonen, vielmehr beseitigte sie die „Besessenen“ gleich mit – dazu noch unter Entwicklung großer Hitze, ohne die geringste Berücksichtigung des dadurch geförderten Treibhauseffekts. Obwohl der Scheiterhaufen inzwischen nicht mehr bemüht wird, überlebt auch den heutigen Exorzismus nicht jeder „Besessene“, was Benedikt XVI. nicht daran hindert, verstärkt Exorzisten ausbilden zu lassen.

Nach Lage der Dinge wäre jede Hoffnung verfehlt, dass die so Ausgebildeten sich künftig den von Dämonen- und Teufelsvorstellungen Besessenen in den eigenen Reihen widmen könnten, ferner den katholischen  Würdenträgern, die sich  unter dem Druck ihres zölibatär genährten Dämons immer wieder Des Knaben Wunderhorn bedienen, ohne genügend zu berücksichtigen, dass es sich dabei an sich nur um eine Gedichtsammlung handelt.

Vieles ist an den christlichen Kirchen vorbeigegangen, welches ihrer Reputation auf die Beine hätte helfen können. Dies gilt für manche segensreiche Wirkung der Aufklärung, aber auch für die Erfindung der Wundertüte, die unverständlicherweise anderen überlassen wurde.

So ist das tätige Menschenleben: Eine Aneinanderreihung wunderlicher Irrtümer und verpasster Chancen.

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