Eine der Möglichkeiten, ein größeres Vermögen zu erwerben, als der Mensch zu einem guten Leben braucht, bietet der Sport. Exzellenten Fußball-, Tennis-, Golf- und Basketballspielern etwa winken horrende Vergütungen und Werbeeinnahmen, ebenso manchem Olympiasieger. Und da Geld die Welt bestimmt, wird im Spitzensport mittlerweile quer durch alle Sportarten gedopt, was das Zeug hält, wobei immer wieder neue, zumindest anfangs nicht verbotene Substanzen verwendet werden. Auch sind seit jeher nicht alle Anabolika nachweisbar. Autokraten fördern diese Praktiken systematisch, da sie sich durch sportliche Erfolge „ihrer“ Staatsangehörig1en aufgewertet fühlen. Aber auch das Interesse der übrigen Staaten daran, diesen Sumpf trockenzulegen, ist begrenzt. Hierfür sorgen zum einen die Politiker, die ihre Geschäftigkeit lieber der eigenen Karriere als ihren Aufgaben widmen, und zum anderen die großen Sportverbände, deren Führungskräfte ihre immensen Profite aus den „sportlichen“ Großveranstaltungen und dem Verkauf von Übertragungsrechten sichern wollen.
Der Sport ist ein typisches Beispiel dafür, dass die inzwischen globalisierte Gier alle Gesellschaftsbereiche unterwandert, bis von allem der Preis, aber von nichts mehr der Wert bekannt ist, und alles Gute zerstört ist, was den Menschen eben auch ausmacht. Sie ist beständig voller Energie und plant langfristig. Damit ist sie der trägen und chronisch nur auf den nächsten Wahltermin schielenden, überdies fast nur national organísierten Politik weit überlegen. So wird die Habsucht ihr Zerstörungswerk nahezu ungehindert fortsetzen, bis auch die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen ruiniert sind. Und die durch die Raffgier Einzelner verarmten Massen empören sich nicht, sondern geben sich – nicht zuletzt, indem sie sich verschulden – brav dem Konsum hin: zusätzlich werden sie wie im alten Rom zusätzlich durch von den Medien andauernd übertragene „Spiele“ ruhig gestellt.
Da ehrliche Sportler kaum gegen die gedopten Leistungsbomben bestehen können, gibt es Aktive und Sportarten, deren Beliebtheit beim Publikum bereits nachgelassen hat. Wer mag noch die stupenden Schläge des Muskelmonsters Serena Williams betrachten, die in jungen Jahren so schlank war wie ihre Schwester, ohne den Verdacht zu hegen, dass diese Leistungen unfair zustande kommen? Und wen interessiert nach all den Dopingskandalen im Radrennsport heutzutage noch die Tour der France?
Genau hier läge aber zugleich eine generelle Chance. Wenn schon niemand dazu bereit und in der Lage ist, das kapitalistische System grundlegend zu reformieren, so ist doch zugleich niemand gezwungen, Großereignisse anzusehen, die jeden wirklichen Wert verloren haben. Anstatt Zeit am Fernseher totzuschlagen und Olympische „Spiele“ zu beobachten, bei denen allzu häufig die Betrüger gewinnen, könnte man ja schlicht wegsehen und wieder einmal, falls man im allgemeinen Konsumrausch die Freude am Einfachen noch nicht ganz verlernt hat, einen Spaziergang durch den Wald unternehmen. Wie schrieb schon Günter Eich: „Wer möchte leben ohne den Trost der Bäume!“ So würde zugleich eine der Quellen sinnloser Bereicherung der Wenigen nach und nach versiegen. Wer zahlt schon für Veranstaltungen und deren Übertragung, die niemanden mehr interessieren?