Wie nicht anders zu erwarten war,

9. April 2018 | Von | Kategorie: Teleskop

 

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war und ist die Erneuerung der SPD in der GroKo eine realitätsferne Vorstellung.  Bereits dem Koalitionsvertrag ist zu entnehmen, dass die SPD- Führungsclique sich unverändert als getreue Handlangerin der CDU/CSU versteht, die auch weiterhin die Wirtschaft einschließlich der betrügerischen Autohersteller, der mörderischen Rüstungsindustrie und der tierquälerisch sowie ökologisch verheerend agierenden Agrarindustrie hofiert,  und auch ansonsten stur die einseitige  Begünstigung der Reichen fortsetzt. Zugunsten der Millionen prekär Beschäftigter und ihrer (auch Alters-) Armut wird buchstäblich nichts unternommen, was die Wirtschaft nicht leicht umgehen könnte.

Die SPD stimmte sogar dem Vorhaben der CDU/CSU zu, auf Verlangen der Verleger deren  Beiträge zur Altersversorgung der ohnehin kärglich bezahlten Zeitungszusteller erheblich zu kürzen –  ohne irgendeinen Ausgleich dafür, beispielsweise aus Steuermitteln, zu schaffen. Über diesen weiteren Skandal (nach der unveränderten Niedrigbesteuerung von Dividendeneinkünften und der durch nichts gerechtfertigten Begünstigung der Unternehmenserben im Bereich der Schenkungs- und Erbschaftssteuern)  berichtete lediglich Panorama am 22. März 2018; in der durchweg neoliberal geprägten, etablierten Presse war darüber selbstverständlich nichts zu lesen….

Mit Wehmut erinnert man sich an den ehemals starken linken Flügel der SPD, von dem nichts geblieben ist. Zwar hat der  Vorstand der SPD soeben einen „Prozess zur Erneuerung der SPD“ auf den Weg gebracht (siehe Abb. oben). Dieser enthält aber nicht zufällig zwei wesentliche Geburtsfehler. Zum einen hat  der Vorstand die zu diskutierenden Themen vorgegeben, die den Kern des Übels nur vage tangieren:

+ Wachstum, Wohlstand und Wertschöpfung im 21. Jahrhundert

+ Die Zukunft der Arbeit

+ Ein bürgerfreundlicher Staat, der Schutz und soziale Teilhabe ermöglicht

+ Deutschlands Rolle in einer sich rasant verändernden Welt

Zum anderen hat die SPD-Führung dafür Sorge getragen, dass sie den gesamten, bis zum Ende des Jahres  2019 dauernden  „Prozess“ beherrscht, obwohl allerlei Diskussionen innerhalb der Partei vorgesehen sind.  So gilt etwa: „Der Parteivorstand verantwortet den Erneuerungsprozess. Daher übernimmt mindestens eine Parteivorstandsmitglied und/oder Präsidiumsmitglied  Verantwortung für jeweils ein Thema. Sie verdichten ihr Leitthema bis Mitte Juni zu einem Impulspapier, das die Diskussion mit Fragen eröffnet. …. Pro Thema gibt es eine Lenkungsgruppe: Neben dem Parteivorstands- und/oder Präsidiumsmitglied, welches das jeweilige Impulspapier verantwortet hat und für regionale Diskussionen zur Verfügung steht, gehören jeweils ein Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der SPD-Bundestagsfraktion und eine weitere, zu benennende Person der Lenkungsgruppe an.“ Das „Herzstück“ des Projekts soll denn nach dem Leitantrag der SPD-Führung auch nur „die programmatische Erneuerung“ der SPD sein An ihrer  personellen Aufstellung soll nicht gerüttelt werden.

Will die SPD politisch wieder Bedeutung erlangen, braucht sie aber eine fundamentale programmatische und personelle Erneuerung. Das nun Begonnene  soll und wird unter dem Einfluss ihrer derzeitigen Führungsriege beides verfehlen. Woran es der SPD mangelt, ist unschwer herauszufinden, man muss es nur wollen; dazu bedarf es keines fast zweijährigen Getöses.  Es wäre die Aufgabe nicht der Parteibasis, sondern  des Vorstands, des Präsidiums und der Landesfürsten der SPD, die dabei allesamt egozentrisch und dementsprechend kläglich versagen.

Was dem deutschen Michel bleibt, ist die unter anderem von  Herta Däubler-Gmelin und  Heiner Flassbeck Anfang März 2018  ins Leben gerufene  „Progressive Soziale Plattform“, die nach den  Worten der Initiatoren eine  „gerechte und offene Gesellschaft“ anstrebt, eine

„Alternative diesseits vom Neoliberalismus und jenseits vom Nationalismus. Dazu brauchen wir eine Bewegung mit Idealen und Haltung, die progressiv gestaltet statt strukturkonservativ zu verwalten. Eine Organisation, die konsequent sozial handelt und sich nicht von Lobbyist*innen vereinnahmen lässt. Ersetzen wir hierarchisch geprägte Wahlvereine durch eine Mitmachpartei. Mutig, gleichberechtigt, mit Offenheit nach Außen und einer dominierenden Basis als Kern.“

Diese „Bewegung“, die zunächst einmal eine Zahl von mindestens fünftausend Mitstreitern erreichen und dann möglicherweise  die Keimzelle einer neuen Partei sein sollte (Lafontaine/Wagenknecht lassen grüßen), wurde gelinde gesagt  halbherzig und unprofessionell angelegt. So entwickelten auch ihre die Gründer keinerlei eigene detaillierte Vorstellungen  oder gar ein Programm. Stattdessen wurde den Interessenten allen Ernstes vorgeschlagen, ihre Forderungen  an die neue Bundesregierung auf eine Pappe zu malen, sich vor den Bauch zu halten  und ein entsprechendes Foto  einzusenden (siehe die Abb. im Kaleidoskop).  Dass ein derlei unproduktives Vorgehen bestenfalls einem Kindergarten zur Ehre gereicht hätte, war unübersehbar. Überdies wurden zahllose mails an die Plattform gelöscht und blieben unbeantwortet. Prompt sind  bisher nicht einmal die Fünftausend  erreicht – und das in einem Land, in dem die nicht zuletzt von der SPD geschaffene soziale Schieflage seit vielen Jahren zunehmend die Grundlagen des Gemeinwesens zerstört, Millionen von Bürgern nachhaltig frustriert und den Erfolg der AfD erheblich befördert hat. Es bedarf keiner großen Phantasie, sich vorzustellen, dass diese Plattform frühzeitig von der Parteiführung der SPD platt gemacht wurde.  

Und so nimmt die neue GroKo weiterhin den gewohnten Verlauf des organisierten Stillstands. Was im Koalitionsvertrag der GroKo vereinbart ist und immerhin in Ansätzen progressiv klingt, ist  auf die lange Bank geschoben, da es zuverlässig irgendwelchen wirtschaftlichen Interessen widerspricht. Auch sonstige Entscheidungen, die auch nur ansatzweise prinzipielle Standfestigkeit  verlangen würden, werden vom Heer der Wirtschaftslobbyisten  verhindert,  in Kommissionen ausgelagert oder auf sonstige Weise zukünftigen Regierungen überlassen.  Und was immer die EU an Sinnvollem unternehmen will, das irgendeinem deutschen  Wirtschaftszweig unwillkommen ist, wird von Merkel & Co. ebenso zuverlässig verhindert. Die Industrie stopft immer mehr Zucker in immer mehr Lebensmittel und ruiniert die Gesundheit der Menschen? Die Agrarindustrie ruiniert mit ihrer Gülle das Grundwasser? Egal, die Politik unternimmt nichts, auch wenn in anderen Staaten mehr geschieht wie zum Beispiel gerade  in Großbritannien, wo der übermäßige Zuckergehalt von Softdrinks  neuerdings besteuert wird.   Stattdessen  streiten die Großkoalitionäre scheinaktiv darüber, wie der Koalitionsvertrag auszulegen ist und wie seine Lücken  auszufüllen sind.  Opa Seehofer entzieht sich dabei unter anderem mit der Behauptung, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, jeder ernsthaften Politik und  freut sich über den Wahlerfolg des ultrarechten Antieuropäers Viktor Orban.  Gleichzeitig bricht der unsägliche Jens Spahn rhythmisch  in dummdreistes Gequake aus. Und die SPD? Sie schaut zu.

Wer da etwa naiv meinte, die SPD werde diesmal immerhin zu ernsthaften Auseinandersetzungen mit der CDU/CSU in Sachfragen bereit sein und die Koalition möglicherweise sogar vorzeitig an Meinungsverschiedenheiten scheitern lassen, wird sich getäuscht sehen. Zum einen fehlt es an ernsthaft verschiedenen Auffassungen, zum anderen erhalten  die  Minister, Staatssekretäre usw.  monatlich erhebliche Bezüge, und ihre Altersversorgung steigt fortlaufend mit der Dauer ihrer Amtstätigkeit in prächtige Höhen. Wer mag sich schon wegen irgendwelcher Prinzipien, deren Durchsetzung  im Zweifel nur dem  dummen, nicht zur „Elite“ gehörenden  Wahlvolk zugute kommen würde, selbst schädigen? Das entscheidende Argument gegen die These, die SPD könne sich auch in der Regierung erneuern, lag und liegt  just in dieser korruptiven Konstellation.

Wer all dies äußert, hört bereits den Einwand, es handele sich um Klagen auf allzu hohem Niveau und den zutiefst zynischen Satz, Deutschland sei ein reiches Land und stehe doch  international gut da. Die schlichte Antwort darauf besteht darin, dass es allzu vielen im Lande schlecht geht, und es gilt,  den Weg zu  einem gedeihlichen Miteinander der Menschen (und nicht dem Profit Einzelner) in Deutschland,  in einem vereinten Europa und in der Welt zu finden.

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