Die Überdummheitssteuer

8. Juni 2022 | Von | Kategorie: Mikroskop

Die Behauptung, der Satan  scheue das Weihwasser, ist seit jeher wenig überzeugend,  sind doch teuflische Repräsentanten der christlichen Kirche(n) zu jeder Zeit zwanglos mit Weihwasser umgegangen, man denke nur an die Inquisition mit ihren Hexenverbrennungen, die nicht zuletzt von führenden Christen befeuerten Verwüstungen des Dreißigjährigen Kriegs und den vielfachen Kindesmissbrauch in jüngerer Zeit einschließlich der systematischen Deckung durch Kirchenfürsten.

An Christian Lindner ist nichts Teuflisches, er leidet eher an der unseligen Mischung aus selbstgefälligem Mittelmaß, übersteigertem Geltungsbedürfnis und  dem Irrtum, der Erfolg der FDP hänge davon ab, Steuererhöhungen über alle Maßen zu scheuen. Auch der von der SPD und den Grünen nun ins Gespräch gebrachten „Übergewinnsteuer“, mit der unter anderem die Milliardengewinne der Mineralölindustrie durch die mangelhafte Weitergabe der 3-monatigen Steuersenkung auf Benzin und Diesel an die Verbraucher abgeschöpft werden sollen, will er nichts abgewinnen.

Zuzugeben ist allerdings, dass es sich dabei um einen Plan handelt, mit dem lediglich eine Dummheit auf die andere gehäuft würde.  Die zeitweise Steuersenkung war und ist unter anderem deshalb ein kapitaler Fehler, da die Ölindustrie nicht verpflichtet wurde, sie an die Verbraucher weiterzugeben, was sie prompt so gut wie nicht tat. Und niemand in Berlin kann ernsthaft behaupten, das nicht vorausgesehen zu haben, Robert Habeck hat exakt diese Befürchtung ja im Vorhinein geäußert – nebenbei ein sicher ungewollter, aber naiver Fingerzeig an die Ölindustrie, wenn sie eines solchen denn bedurft hätte. Und so hoben alle Tankstellen dann die Preise kurz vor dem 1. Juni an und senkten diese erhöhten Preise danach nur um einen Teil der Steuervergünstigung.

Die von der Politik nicht regulierten  Märkte zeugen eben unvermeidlich  Massen von Geiern, die sich gnadenlos über alles hermachen, was Gewinn verspricht.  Und mit diesem Vergleich tut man den Geiern noch Unrecht, da sie vor allem sinnvollerweise Aas vertilgen, während die ungehemmten Kapitalisten gutes Geld vereinnahmen, das dann woanders fehlt. Das Kartellrecht, vermittels dessen Ludwig Erhard einen funktionierenden, preissenkenden  Wettbewerb sichern wollte, funktioniert in unseren Zeiten kooperierender Oligopole schlicht nicht, da man abgestimmtem Verhalten der Anbieter viel zu selten auf die Schliche kommt.

Die Ölindustrie hatte sich bereits jahrzehntelang  als Meister in Sachen Geheimhaltung offensichtlich kartellrechtswidriger Manipulationen erwiesen, bevor der 3 Milliarden Euro teure Unsinn der Steuersenkung beschlossen wurde – im Ergebnis eine Subvention zugunsten alles andere als Bedürftiger, die ihre  ohnehin phantastischen Gewinne in der Krise schon vorher verdoppelten, indem sie im Zuge der beginnenden Inflation – wie viele andere – jede Zurückhaltung aufgaben und zur Begründung über eine „Abkoppelung“ der Spritpreise von den Rohölpreisen schwadronierten – als ob nicht auch die Raffinerien fast ausnahmslos in ihren Händen wären.

Die nun erwogene „Übergewinnsteuer“ wäre die nächste Dummheit, da die Schwierigkeiten, den auch nur durch die dreimonatige Steuersenkung von  den öligen Giganten erwirtschafteten Gewinn im Einzelfall zu erfassen, enorm wären und die Finanzbehörden weit überfordern würden, zumal die hohe Intelligenz sich nicht dort, sondern im Bereich der großen Steuerberatungsgesellschaften aufhält. Eine solche Steuer würde mit Sicherheit angreifbar beim Bundesverfassungsgericht landen – erst recht, wenn sie Weiteres wie „Krisengewinne“ erfassen soll.

Und anstatt die Subvention qua Steuersenkung nun zumindest   s o f o r t durch ein änderndes Gesetz einzustellen und durch eine sozial ausgewogene Beihilfe für finanziell Schwache zu ersetzen, geschieht genau das nicht, vielmehr versuchte Herr Lindner doch tatsächlich bei „Maischberger“, ihren Fortbestand mit dem hehren Ziel der  Inflationsbekämpfung zu rechtfertigen, als ob er von der Möglichkeit einer Preisdeckelung noch nie gehört hätte. Und erneut zeigte sich, dass  die Journaille nicht willens (oder fähig) ist, gegen das von den politischen und wirtschaftlichen „Eliten“ Verzapfte in angemessener Weise argumentativ anzugehen. Schon deshalb sind die vielen Talkshows kaum mehr als Müll.

Man muss nicht querdenken, um festzustellen, dass der Zustand unserer Republik von dem eines Irrenhauses nur ungenügend weit entfernt ist. Aber auch das ist ungerecht: Wer sogleich bekennt, Napoleon zu sein, dokumentiert immerhin ohne Umschweife, wie es um ihn steht.

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