Die siebte Welle

11. Mai 2020 | Von | Kategorie: Teleskop

Der Ende März vorhergesagte Höhepunkt steht noch immer aus, während es doch an Betten nicht mangelte. Nun sollen wir noch die zweite und dritte Welle erleben, müssen also weiter abwarten. Allerdings haben sich bereits allerlei Prognosen als luftig erwiesen. Schwierig ist auch die Interpretation der Gegenwart, nehmen wir nur die Reproduktion: Nach sachverständiger Ansicht wird sie bei einer Zahl von mehr als 1,0 problematisch, was in früheren Zeiten zumindest Zwillingen entsprach, heute aber ganz anders daherkommt.       

Seit vielen Wochen bemüht man sich im RKI nun vergeblich um gelungenes Jonglieren mit vier im Detail eher unbekannten Bällen, als da sind die Verdoppelungszahl,  die Infektionszahl, die Reproduktionszahl und eine Infektionsrate von mindestens 60-70% der Bevölkerung.   

Die  Verdoppelungszahl wurde nach Dehnung ihrer geduldeten Entstehungszeit ins Freie entlassen und verpuffte. Die Infektionszahl schrumpfte schnell vor sich hin, nach der obigen Statistik der Johns Hopkins University infizierten sich am 10. Mai in Deutschland nur noch 555 Personen neu. Nicht besser erging es der Reproduktionszahl, die allerdings soeben vom RKI mit  heißer Luft wieder aufgepumpt  wurde. Sollte dabei wirklich niemandem aufgefallen sein, dass eine 1,0 nur geringfügig überschreitende Reproduktion angesichts der mittlerweile wenigen Infektionen tatsächlich keine „kritische Größe“ mehr ist – erst recht, da fast alle jeweils Infizierten genesen? Aber die Medien setzen eben gern schnell sensationelle Meldungen ab, bevor sie immer noch nicht nachdenken, und plappern unverändert schlicht nach, was Herr Wieler – womöglich auch im Ringen um den Fortbestand seiner Bedeutung –  jeweils ahnend verzapft.

Der vierte Ball, die Infektion von angeblich mindestens 60-70 % der Bevölkerung, bevor man die Krise in den Griff bekommen kann, ist  für überzeugendes Jonglieren ungeeignet und wird dennoch immer wieder präsentiert. Gleichzeitig sind die Virologen aber nicht einmal ansatzweise darüber einig, wie viele Bundesbürger bisher infiziert wurden. Sind es, so etwa Johns Hopkins, bisher nicht einmal 1 % der in Deutschland Lebenden 80 Millionen, wäre bis zum Jahr Nimmerlein nichts kontrollierbar, was denn doch ein wenig lebensfremd erscheint. Selbst wenn die Zahl der bereits Infizierten entsprechend dem höchsten Gebot der Fachleute rund 1,8 Millionen erreichte,  gälte angesichts der mittlerweile  niedrigen Infektionszahlen nichts nennenswert Anderes.

Niemand werfe den Virologen vor, dass sie inmitten der  neuen Viren noch weitgehend kenntnisfrei umhertasten und dabei beispielsweise einfache Schutzmasken entgegen schlichtem Menschenverstand (zumindest verminderter Tröpfchenflug) zunächst ablehnten und dann befürworteten. Die andauernden Emanationen düsterer Prognosen und das Schüren entsprechender Panik allerdings ist unvertretbar, zumal es  der chronisch depressiv angehauchten  deutschen Volksseele unheilvoll zuarbeitet und bereits böse Folgen hatte.

Es ist wohltuend,  dass die Politik inzwischen  –  lange vor der fraglos bevorstehenden siebten Welle – eigene Wege geht,  dabei zunehmend auch davon absieht,  Grundrechte ohne Not zu missachten, und immerhin zaghaft beginnt, ihr Verhalten insbesondere im März selbstkritisch zu beleuchten. Derlei Infektionen des Rechtstaats, von Heribert Prantl bereits vor Wochen beklagt, dürfen sich schlicht nicht wiederholen. Stattdessen sollte man zukünftig der großen Mehrheit des Volkes, die zum Glück wirren Verschwörungstheorien nicht anhängt, mehr Vernunft und Kooperationsbereitschaft zutrauen.

    

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