Die Folgen des trügenden Scheins

28. Juni 2025 | Von | Kategorie: Fotos, Teleskop

Die Welt befindet sich pausenlos in Bewegung Kaum hat man sich  auf den neuesten Stand der Dinge eingerichtet, ist die ganze  Justierung ist schon wieder für die Katz.

Jüngstes Beispiel ist die  enorme Verteuerung der Lebensmittel durch das  schamlose  Oligopol der großen deutschen Lebensmittelhändler.  Sie  führt dazu, dass der gewohnte Einkaufswert eines Zehners trügt, ruiniert in vielen Fällen die Kasse des Verbrauchers und fordert bisweilen sogar  buchstäblich den ganzen Menschen. So  berichtete die Presse schon vor geraumer Zeit, ein junger Berliner habe einer Frau in den Hals gebissen, um von ihr zu essen

Dieser Lösungsansatz  ist beileibe nicht neu, denken wir  nur   an die Expeditionen im ewigen Eis, bei denen zunächst die Schlittenhunde verzehrt und danach  die Würfel zu Rate gezogen wurden, oder  an die große Tradition des  Kannibalismus im Allgemeinen, die der Menschenfresser von Rotenburg  wieder belebte.

Allerdings reichen die Freiwilligen, die sich in den einschlägigen Internet-Foren preiswert zum Verzehr feilbieten, nicht annähernd dazu aus, der Krise gesamthaft  die Stirn zu bieten, weshalb alle Bewohner Deutschlands nun davon ausgehen sollten, bei passender Gelegenheit verschmaust zu werden.  

Die bevorstehende kannibalistische Welle wird vermutlich nicht einmal familiäre Beziehungen unangetastet lassen. Es ist kaum ein Zufall, dass  der große  neo-realistische, post-post-moderne Lyriker Ole Petersen  aus Kleinmeinsdorf in Ostholstein unlängst das folgende Gedicht veröffentlichte:

Familienglück

Die Standuhr tickt,

die Oma strickt,

der Opa ist schon eingenickt.

Die Tochter, ebenso der Sohn,

Schau’n permanent ins smarte Phone.

Und in der nah geleg’nen Küche

verströmen würzige Gerüche.

Dort brät, die Lieben zu beglücken,

die Tante – mariniert in Stücken.“

Wortgewaltig schildert Petersen hier einen ethisch hochkomplexen Fall innerfamiliärer Speisung – ein Werk, das aufgrund seines versöhnlichen Feinsinns soeben für den begehrten CMA-Literaturpreis nominiert worden ist. Die Frage, ob die Gebratene frisch und zart auf den Tisch kam, dürfte für die Entscheidung der Jury keine entscheidende Rolle spielen.

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