Vernunft und Müssen müssen

5. April 2011 | Von | Kategorie: Teleskop

Die Welt mag an schmelzenden Brennstäben und ähnlichem Menschenwerk weitgehend zugrunde gehen, die Frisur der Wissenschaft aber hält. Eingehend haben Psychologen der niederländischen Universität Twente geforscht, und nun ist es heraus:

 

Menschen mit mächtigem Harndrang handeln vernünftiger als solche mit leerer Blase. Probanden hatten die Wahl, entweder sofort einen bestimmten Geldbetrag oder schon nach wenigen  Wochen  die doppelte Summe zu erhalten. Einige von ihnen waren angemessene  Zeit zuvor reichlich mit Wasser befüllt worden. Die Träger  leerer Harnblasen griffen flugs zur schnellen Belohnung, diejenigen aber, die  dringend (vulgo: pinkeln) mussten, entschieden  sich für die längerfristige und vernünftige Lösung.

 

Geht man davon aus, dass die letzteren trotz ihrer Not überhaupt eine Hand zum Ergreifen des Geldes  frei hatten, gerät unser von Prostagutt  geschaffenes Weltbild, wonach wir  wollen sollten, nachts weniger müssen zu müssen, einigermaßen  ins Wanken. Denn auch in jenen Stunden des Tages, in denen die Luft schwarz gefärbt ist (echt & gut: Flann O´Brien),  gilt  es bekanntlich immer wieder, Entscheidungen zu treffen, die weitreichende Folgen haben können.

 

Dabei ist nicht ohne Bedeutung, dass sexuelle Erregung die männliche  Fähigkeit herabzusetzen pflegt, vernünftig zu handeln. Schon mancher Samenspender vor dem Herrn, der seine  nächtliche Erregtion (auch echt, aber entschieden weniger gut: Der Verfasser) zum Anlass für sofortigen Vollzug nahm, beugte sich neun Monate später tränenblind über den Wickeltisch.  Auch  hier  hätte  eine rechtzeitig volle und daher erregungsmindernde Blase den Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit befördert.   

 

Nach allem sind Bedenken hinsichtlich des Sinns und Zwecks von Prostagutt anzumelden, zumal das Präparat unter anderem aus der Sägepalme gewonnen wird, was beim Manne, um noch ein wenig  beim Lieblingsthema desselben zu verweilen, nur allzu leicht  eher unangenehme  Assoziationen weckt.  

 

 

Andererseits soll Prostagutt jedoch nach den Erläuterungen des Herstellers auch verhindern, dass „die Kontrolle über den Harndrang verloren geht“, und wer in aller Welt mag sein Dasein schon unkontrolliert und beständig tröpfelnd  fristen?

 

Derart hin- und hergerissen könnte uns ohne die Einnahme von Prostagutt allenfalls  eine weitere neuere  Meldung aus der Wissenschaft, diesmal von der Trinity University in San Antonio,  hoffen lassen: Männliche geschlechtsreife Kapuzineraffen reiben sich ihren – testosteronhaltigen – Urin ins Fell, um den Weibchen zu signalisieren, dass sie ein attraktiver Partner für die Paarung sind.  Bei den weiblichen Kapuzineraffen  soll dies zu einer deutlich erhöhten Gehirnaktivität führen.

 

Die Frage, ob dieses vermehrte  zerebrale Tun auf  weibliche Kapuzineraffen paarungsfördernd wirkt, ließen die Forscher allerdings offenbar  unbeantwortet. Für den menschlichen Verkehr sei bezweifelt, dass Urin im männlichen Fell, das durch  besagtes  unkontrolliertes Tröpfeln beinahe mühelos zustande käme, zusammen mit  entsprechend erhöhten weiblichen  Gehirnwallungen  dem Vollzug dienlich sind,  nachdem Urindunst von der Damenwelt im Allgemeinen eher als unangenehm  wahrgenommen wird  und gesteigertes weibliches Denken  dem sexuell  eher einfach gestrickten  Manne allzu leicht auf die Schliche kommt.

 

Um immerhin unseren Harndrang zu kontrollieren, entscheiden wir uns also im Ergebnis resigniert gegen die Vernunft und für die Empfehlung der Prostagutt-Werbung, zumal der Hersteller sich die Werbung dafür Einiges kosten lässt.  Die Wirtschaft scheißt eben nicht nur Baby Schimmerlos, sondern uns alle voll mit ihrem Geld,  das sie uns dann doppelt und dreifach wieder aus der Tasche zieht. Soziale Marktwirtschaft nennt man das wohl.    

 

     

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

   

 

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