Demokratien in Not

16. Oktober 2022 | Von | Kategorie: Mikroskop

Lange hat das repräsentative System, der Geburtsfehler der westlichen Demokratien, deren Funktionieren wenig beeinträchtigt, nun stößt es an seine Grenzen. Der Grund  dafür ist schlicht, dass die gewählten Repräsentanten die Interessen der großen Mehrheit des Wahlvolks seit jeher nur ungenügend wahrnehmen und die daraus resultierende Ungerechtigkeit immer schmerzhafter wird. Die so genannten Volksvertreter  sorgen vor allem dafür, dass es den Wohlhabenden gut und immer besser geht, da sie dazu gehören. Bereits George Bernhard Shaw hat darauf hingewiesen: Das Ungute an den Gesetzen liegt darin, dass sie stets von den Reichen gemacht werden.

Dieses Defizit hat im Zusammenwirken mit den kapitalistischen, von grenzenloser  Gier und weitgehend entfallenem Wettbewerb gesteuerten Wirtschaftsordnungen und zahlreichen steuerlichen Vergünstigungen für die Reichen sowie Benachteiligungen der Übrigen zu einer abnormen sozialen Ungleichheit geführt. Die Zahl der Armen hat unter anderem durch das Wuchern prekärer Arbeitsverhältnisse und die jahrzehntelange Reduzierung der Arbeitnehmerrechte erheblich zugenommen, und der geschwächte Mittelstand droht ebenfalls in Armut zu versinken, insbesondere, wenn Krisen wie eine erhebliche Inflation zu bewältigen sind.  

Die mit alledem verbundenen Frustrationen haben  in einem beachtlichen Teil der Bevölkerungen das Vertrauen in die jeweils Regierenden gleich welcher Couleur zerstört. Die Folge sind abnehmende Wahlbeteiligungen und die Abwanderung zahlreicher Wähler zu rechtspopulistischen Parteien, die sich die Ohnmachtsgefühle der Vielen geschickt zunutze machen. Die Regierenden haben das Problem durchaus erkannt, wie an dem „You never walk alone“ des Olaf Scholz beispielhaft abzulesen ist, nur bleiben das eben Leerformeln, bloße Lippenbekenntnisse, denen  keine nennenswerten  Taten folgen, die einmal keine Begünstigung auch und besonders der Reichen enthalten und stattdessen gezielt nur denen substantiell helfen, die es brauchen.

Ob in Deutschland die Spritpreise für einige Monate reduziert wurden, ob nun Hilfsmaßnahmen in Sachen Gaspreise eingreifen, immer sind es die Reichen mit ihrem gewaltigen Energiekonsum, den großen, spritfressenden Fahrzeugen und den hohen Abschlagszahlungen und Verbräuchen in Sachen Gas, denen auch und besonders geholfen wird – mit Milliarden, die dann woanders fehlen. Und selbstverständlich bleiben auch der erst unter Helmut Kohl reduzierte Höchststeuersatz und  die inakzeptablen steuerlichen  Begünstigungen der Reichen im Bereich der Kapitaleinkünfte und der  verschenkten oder vererbten Firmenbeteiligungen, das Dienstwagenprivileg u.s.w. unangetastet.

Von Seiten der Linken und ihr Nahestehenden stammt der Satz, die Ungleichheit sei die Mutter aller Probleme. Die Wahrheit liegt tiefer. Der Mensch ist ein soziales Wesen, das auch in der Gemeinschaft Liebe, Zuwendung und Fürsorge, Solidarität und Gerechtigkeit  sucht. Daran fehlt es im Kern in den westlichen Demokratien. Sie werden daher  immer weiter vor die Wand fahren, wenn die Verhältnisse sich nicht schleunigst grundlegend ändern. In Deutschland wird das mit der empathiefreien  FDP, aber auch mit einem Kanzler Olaf Scholz, der bereits die Einführung eines schütteren Mindestlohns von 12 Euro für epochal hält, nicht geschehen, zumal auch der „Qualitätsjournalismus“ das zu Unternehmende hartnäckig nicht einfordert.

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