Vom Ende her

12. Dezember 2021 | Von | Kategorie: Mikroskop

Moden kommen und gehen, auch sprachliche. Das „Narrativ“ etwa ist eindeutig nicht mehr en vogue. Derzeit beliebt ist die  Formulierung „vom Ende her denken“. So veranlasste Billy Wilders „Boulevard der Dämmerung“, in dem der Erzähler Joe Gillis anfangs  tot in einem Schwimmbecken umher treibt, die Süddeutsche Zeitung unlängst zu  der streiflichtigen Bemerkung: „Gillis tut das, was man öfter tun sollte, er denkt die Dinge von ihrem Ende her.“ Just die Fähigkeit zu solchem  Tun wird auch  Olaf Scholz bewundernd nachgesagt.

Tatsächlich: Wer eine Leberwurst  nicht rechtzeitig von ihren Enden her denkt, sieht sich unversehens einschlägig unterversorgt. Nun kann die Gattung homo sapiens derlei  problemlos überleben. Anders verhält es sich mit  dem drohenden Ende eines erträglichen Klimas auf Erden. Die noch immer nicht ganz verstummten Leugner der Klimakatastrophe Trump´ scher Manier gehören ebenso zu chronischen Verdrängern wie die Gruppierung „Don´t Look Up“ in der gleichnamigen neuen Hollywood-Produktion, die  sich schlicht weigert, einen die Menschheit  bedrohenden Meteoriten zur Kenntnis zu nehmen. Da geht im Film niemand mehr rettend zu Werk, auch ein Spiegel der neuen Zeit. 

Was die weitere Vermeidung des in Ansätzen bereits vorhandenen, realen Klimahorrors betrifft, formuliert die Gattung Mensch zwar seit langem hohe Ziele, begnügt sich aber unverändert mit Maßnahmen auf viel zu niedrigem Niveau. Der Grund dafür liegt bei allen Staatsführungen in der angestrebten Festigung der vorhandenen Machtverhältnisse, bei den westlichen Demokratien nicht zuletzt in dem Wunsch, Zumutungen für Wirtschaft & Wähler zu vermeiden und so die nächsten Wahlen zu bestehen.  Es reicht eben nicht aus, die Dinge von irgendeinem  Ende her zu denken, vielmehr  bedarf es einer verantwortlichen Definition des Endes.

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