Tod und Leben

14. Mai 2008 | Von | Kategorie: Kaleidoskop

Die Auswertung von vier Millionen Todesanzeigen hat ergeben, dass 87 % der polnischen Näherinnen in Dortmund – Eichlinghofen eine Lebenserwartung von 93,53 Jahren haben, während 100 % der niederbayerischen Mineralölkaufleute vor dem Erreichen des zwölften Lebensjahres überhaupt nicht sterben.

Schon Diogenes wusste: Nur wer im Leben nichts hat, kann im Tod alles mitnehmen.

Woody Allens Gedanke, wenn seine Seele nach dem Tode tatsächlich ohne den Körper fortlebe, würden ihm alle seine Sachen zu weit, ist nicht von der Hand zu weisen. Freilich gibt es sehr kleine Seelen, und man überschätzt sich leicht. Daher sollte man neue Kleidungsstücke vorsorglich mehrere Nummern kleiner kaufen.

Tucholsky glaubte, er werde sich noch fehlen, wenn er erst gestorben sei. Seit 1935 wartet die Nachwelt vergeblich auf eine Bestätigung, dass diese Annahme richtig war. Aber was wissen wir schon vom Jenseits. Womöglich existiert dort Frauenüberschuss und Tucholsky fehlt sich mitnichten.

Einer verbreiteten Auffassung zufolge zeigt sich die Qualität eines Lebens daran, was die Hinterbliebenen über den Gestorbenen denken und sagen. Manche glauben sogar, das einzige Fortleben nach dem Tode sei das in der Erinnerung anderer. All dies lässt Eigenschaften wie Missgunst, Neid, Arroganz und Selbstgerechtigkeit außer acht. Es gibt wohnlichere Aufenthaltsorte als die Köpfe manch anderer.

Der Tod erst lehrte Hofmannsthals Claudio das Leben („Erst da ich sterbe, spür ich, dass ich bin“). Gut, dass uns das nicht betrifft. Es sterben ja immer nur die anderen. Aber nicht immer rechtzeitig:

Gott dem Allmächtigen hat es gefallen, unseren mit allen Tröstungen überreich versehenen Erbonkel gestern wieder nicht abzuberufen. Die Trauerfeier hat im engsten Familienkreise stattgefunden.  Von Beileidsbezeugungen bitten wir abzusehen.

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