Der Leser als Dichter

27. Juni 2008 | Von | Kategorie: Kaleidoskop

In einem Rundschreiben forderte der Verband Deutscher Lyriker (VDL) die Verbandsmitglieder soeben auf, im Rahmen ihres Schaffens nicht nur den mentalen Schutz der Leser zu wahren (wir berichteten am 22. Januar 2008 unter „Tod gegen Mitternacht“), sondern sie bei der Entstehung von Gedichten nun sogar mitwirken zu lassen. Wieder einmal habe Ole Petersen aus Kleinmeinsdorf in Ostholstein mit den folgenden Zeilen Pionierarbeit geleistet:

Des Ritters Los“

Des Ritters Leben war recht kurz,

denn schon der erste wilde ….

verpestete das Eisenkleid.

Da war der Exitus nicht weit.“

Der Vorstand des VDL Viktor Versle hierzu: „Die kreative Vollendung des Gedichts durch den Leser markiert den Triumph einer jahrhundertelang verfehlten Symbiose des Künstlers mit seinem Publikum“. Allerdings, fügte Versle hinzu, bedürfe der deutsche Leser offenbar noch einer gewissen Entwicklung seiner lyrischen Gestaltungskraft und -bereitschaft.  So hätten bei einer repräsentativen Erhebung 37 % der Befragten Petersens Gedicht lediglich durch „Blick“ ergänzt und 42 % jede Kooperation mit der Begründung abgelehnt, Gedichte und „überhaupt so´n Kram“  änderten auch nichts an der allgemeinen Misere. Nicht besser sei es dem Kollegen Walter Wimps mit seiner Großtante Helene gegangen, die seinem Dreizeiler

Weit oben vorn

Weit oben und fernab der Blase

befindet sich in jeder Phase

am Kopf des Menschen vorn …  …. .

„der Rüssel“ hinzugefügt habe, ohne den geringsten Widerspruch zu dulden. Hier müsse und werde der VDL noch  Breitenarbeit leisten. Die NACHTGAZETTE wünscht viel Glück dabei.

Kommentare sind geschlossen